Das Warenhaus Jelmoli verschwindet Ende 2024. Das Traditionshaus an der Zürcher Bahnhofstrasse wird komplett umgestaltet. Konsum- und Handelsexperte Marcel Stoffel über veränderte Einkaufsgewohnheiten und die Zukunftschancen von Warenhäusern.
Ein Interview von Christian Beck, Redaktor, persönlich.com
Herr Stoffel, wo kaufen Sie persönlich häufiger ein: im Detailhandel oder in Onlineshops?
Auf jeden Fall häufiger stationär. Ich bevorzuge den Kontakt mit Menschen und schätze inspirierende Ladengestaltungen. Einkaufen ist für mich immer auch ein sinnliches Erlebnis.
Das Warenhaus Jelmoli schliesst 2024 (persoenlich.com berichtete). Ist das eine logische Fortsetzung, nachdem auch schon Manor an der Zürcher Bahnhofstrasse schliessen musste?
Nein, von Logik zu sprechen wäre falsch. Was aber auffällt, ist, dass in beiden Fällen die ehemaligen Grossflächen verkleinert und umgenutzt werden.
Inhaberin Swiss Prime Site (SPS) will das Jelmoli-Gebäude umnutzen und plant Büros, Fitness- oder Gastroangebote. Ist das lukrativer als ein Warenhaus?
Das kann gut möglich sein, hängt aber stark davon ab, wie der Nutzungsmix in Zukunft gestaltet ist. Wichtig dabei ist, dass für die verschiedenen Nutzungen genügend Potenzial vorhanden ist und sie sich gegenseitig befruchten.
«In den letzten sieben Jahren zusammen haben wir mit Jelmoli 45 Millionen Franken Verlust gemacht», sagte SPS-CEO René Zahnd in einem Tages-Anzeiger-Interview. Kann man mit Warenhäusern überhaupt noch Geld verdienen?
Natürlich kann man das. Je nach Wettbewerbs- und Marktsituation – und entsprechenden Mietkonditionen – ist dies mit dem richtigen Konzept auch in Zukunft gut möglich.
SPS-CEO Zahnd sagt auch, dass sich die Einkaufsgewohnheiten verändert hätten. Sind Onlineshops schuld am Ladensterben?
Ja, die Einkaufsgewohnheiten haben sich verändert, das stimmt. Nein, der Onlinehandel ist nicht primär schuld. Der Marktanteil von Online-Einkäufen in der Schweiz liegt lediglich bei circa zwölf Prozent. Wenn schon, dann sind es allenfalls die User, welche vom Onlinehandel Gebrauch machen. Letztendlich entscheidet immer der Kunde, wo er einkauft. In der Regel ist das dort, wo es für ihn je nach Situation und Bedürfnis am meisten Sinn macht und der grösste Nutzen entsteht.
«In meiner Wahrnehmung wurde das Haus professionell geführt»
Trotzdem: Hat Jelmoli den Anschluss an Omnichannel verpasst?
Das kann ich nicht beurteilen.
Aber was hätte Jelmoli anders machen müssen?
Da fällt mir nichts ein. In meiner Wahrnehmung wurde das Haus professionell geführt. Mit grosser Wahrscheinlichkeit verfügt Zürich einfach nicht über genügend Potenzial für zwei Warenhäuser, die ähnlich positioniert sind.
Sie sprechen Globus an. Auch dort wird das Gebäude umgebaut, Globus kehrt danach aber wieder zurück. Was macht Globus besser als Jelmoli?
Von «besser» zu sprechen, wäre nicht korrekt. Letztendlich geht es immer darum, seinen Kunden ein für sie relevantes Angebot zu bieten. Zudem muss das Unternehmen klar positioniert sein und ein eigenständiges Profil haben. Wem dies besser gelingt, der hat höhere Zukunftschancen.
Gibt es ein Patentrezept für Warenhäuser – oder kommt das immer auch auf den jeweiligen Standort an?
Ich denke, es gibt zu je 50 Prozent standortunabhängige Kriterien, welche für alle Warenhäuser gelten, und standortspezifische Kriterien. Grundsätzlich bin ich persönlich davon überzeugt, dass Erfolg Visionen und kreative Ideen voraussetzt. Das ist aber bestimmt kein Patentrezept, eher eine Voraussetzung.
Dieses Interview erschien am 07.02.2023 auf dem Onlineportal von persönlich.
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